FORDERUNGEN ZUR EUROPAWAHL
Die Europawahl 2024 steht unmittelbar bevor und alle EU-Bürger*innen dürfen zwischen dem 6. und 9. Juni 2024 wählen gehen. Das nehmen wir zum Anlass, um unsere politischen Forderungen 2021 zu überarbeiten und mit aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene zu verknüpfen.
2021 haben wir das Inkrafttreten der EU-Trinkwasserrichtlinie begrüßt, welche zwei Jahre später mit der Trinkwasserverordnung in nationales Recht umgesetzt wurde. Sie legt die Anforderungen an Beschaffenheit und Aufbereitung des Trinkwassers fest und bestimmt Maßnahmen zu dessen Überwachung und Schutz.
In vielen Bereichen sehen wir weiteren Verbesserungsbedarf, weshalb wir uns mit den folgenden fünf politischen Forderungen weiterhin für die Sicherstellung der Trinkwasserqualität und den Zugang zu sauberem Leitungswasser für alle Bürger*innen stark machen – sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa. Denn nur durch gemeinsames Handeln können wir eine nachhaltige und gesunde Zukunft für alle Menschen in der EU gewährleisten!
Menschenrecht auf Wasser im Grundgesetz und EU-Recht verankern!
Der universelle Zugang zu Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene ist ein Menschenrecht. Dies muss sowohl im Grundgesetz als auch im EU-Recht verankert und durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Artikel 16 der EU-Trinkwasserrichtlinie sieht vor, den Zugang zu Leitungswasser zu verbessern, damit es überall und für jede*n verfügbar ist. Trotz zunehmender Hitzetage – sowohl in Deutschland als auch europaweit – sind seit Inkrafttreten der Richtlinie nur geringe Fortschritte zu verzeichnen. Wir brauchen konkrete gesetzliche Vorgaben, um den Zugang zu sauberem Trinkwasser insbesondere für vulnerable Gruppen zu fördern: Ausbau öffentlicher Trink-Orte, verpflichtendes Angebot von Leitungswasser bei (Groß-)Veranstaltungen, in der Gastronomie, in der Schulverpflegung, in Kantinen, beim Catering, im Bürgeramt etc. Insbesondere für die Gastronomie sollte das Angebot von Leitungswasser EU-weit nicht nur als Möglichkeit, sondern als gesetzliche Maßnahme aufgenommen werden, so dass auch in Deutschland ein entsprechendes Gesetz eingeführt werden kann, wie es in Spanien¹ oder Frankreich2 bereits existiert. Die Einhaltung dieses Prinzips schafft nicht nur mehr Gerechtigkeit, sondern fördert auch ein gesundes Leben.
¹ Gesetz 7/2022 vom 8. April über Abfälle und kontaminierte Böden für eine Kreislaufwirtschaft.
https://www.boe.es/buscar/act.php?id=BOE-A-2022-5809&p=20221224&tn=1
2 Artikel L541-15-10 – Umweltgesetzbuch
https://www.legifrance.gouv.fr/codes/article_lc/LEGIARTI000041568974/
Wasserqualität und Trinkwasser langfristig erhalten, schützen und verbessern!
Unser (Trink-)Wasser ist eine kostbare Ressource, die es nachhaltig zu bewahren und zu schützen gilt. Damit einher geht die konsequente Umsetzung der Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Deutschland – die langfristige Sicherung einer guten Qualität und Quantität des Grundwassers und eines guten ökologischen Zustands der Oberflächengewässer. Durch die zunehmende Wasserknappheit – auch in Deutschland – muss über den sparsameren Umgang mit der Ressource Wasser gesprochen werden, u.a. durch die vermehrte Nutzung von Regen- und Grauwasser. Zusätzlich müssen die Gewässer und insbesondere die Trinkwasserressourcen vor Verunreinigungen mit Schadstoffen und anderen schädlichen Einträgen wie Mikroplastik geschützt werden. Hier muss die Vorsorge im Vordergrund stehen: Ein Beispiel ist das derzeit auf EU-Ebene diskutierte Verbot der gesamten Stoffgruppe der poly- und perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), von denen einzelne Stoffe bereits als krebserregend nachgewiesen wurden. Um eine Ausbreitung neuer, potenziell schädlicher Stoffe aus der Gruppe der PFAS auszuschließen, ist eine Vorsorgemaßnahme in Form eines Verbots der gesamten Stoffgruppe sinnvoll. Das Beispiel der PFAS zeigt auch, wie wichtig es ist, Grenzwerte streng festzulegen und regelmäßig zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Andere Länder wie Dänemark haben den Höchstgehalt für PFAS im Wasser auf 0,0022 μg/L festgelegt, was einer Empfehlung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) entspricht. Transparenz über Daten zur Wassergewinnung, Analysewerte und Maßnahmen sind unabdingbar, um Verbraucher*innen einerseits zu schützen und andererseits zu befähigen, ihre Zukunft mitzugestalten.
Nachhaltige und sichere Trinkwasserversorgung durch Herstellerverantwortung
Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser muss Vorrang haben. Wirtschaftliche Interessen, wie die Förderung der Wassernutzung für industrielle oder landwirtschaftliche Zwecke, dürfen bei Wassernutzungskonflikten, die durch den Klimawandel zunehmend verschärft werden, nicht als vorrangig angesehen werden. Daher sind u.a. ein besseres Monitoring und Transparenz der Wassernutzung durch Industrie und Landwirtschaft sowie der gezahlten bzw. verlangten Wasserpreise erforderlich. Im Hinblick auf zunehmende und neue Schadstoffe im Trinkwasser, die in großem Umfang durch den Einsatz von Chemikalien in Industrie und Landwirtschaft, wie z.B. Weichmacher, Pestizide oder Düngemittel, verursacht werden, sind Investitionen in die Wasserreinigung und -aufbereitung erforderlich. Die dadurch entstehenden Kosten dürfen nicht auf die Verbraucher*innen abgewälzt werden, hingegen müssen die Verursacher*innen Verantwortung übernehmen. Das können sie tun, indem sie eigene Abwasserreinigungssysteme aufbauen und die öffentliche Abwasserreinigung finanziell unterstützen. Die geplante Überarbeitung der EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser3 ist ein guter erster Schritt in diese Richtung. Diese soll ein System der erweiterten Herstellerverantwortung einführen, um sicherzustellen, dass Branchen, die Abwasser stark verschmutzen, einen angemessenen Beitrag zur Behandlung von Mikroverunreinigungen leisten. Um dem Verursacherprinzip gerecht zu werden, müssen nach der neuen Verordnung Hersteller*innen von Arzneimitteln und Kosmetika mindestens 80 % der zusätzlichen Behandlungskosten der vierten Reinigungsstufe tragen. Dieses Prinzip könnte auf andere Sektoren ausgeweitet und erhöht werden.
3 Kommunales Abwasser: Rat und Parlament erzielen Einigung über neue Vorschriften für eine effizientere Behandlung und Überwachung (Pressemitteilung)
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/01/29/urban-wastewater-council-and-parliament-reach-a-deal-on-new-rules-for-more-efficient-treatment-and-monitoring/
450.000 Trinkbrunnen EU-weit – Trinkwasser-Zugang unterwegs und über Landesgrenzen hinweg ausbauen!
In Wien und in Rom gibt es mehr Trinkbrunnen als in ganz Deutschland! Um den Zugang zu Trinkwasser unterwegs auch hierzulande zu verbessern, brauchen wir deutlich mehr öffentliche Trinkbrunnen und zusätzliche Auffüllstationen wie die der Refill-Initiative. Damit mehr Menschen unterwegs kosten- und barrierefrei sauberes Trinkwasser genießen können, fordern wir deshalb einen Trinkbrunnen pro 1.000 Einwohner*innen EU-weit.4 Diese Trink-Orte sollten ganzjährig zugänglich und gut ausgeschildert sein. Dazu sollte ein europaweites Trinkbrunnenprogramm mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung aufgelegt werden. Außerdem sollten Vorschriften erlassen werden, die den Bau von Trinkbrunnen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten (wie Bahnhöfen oder Flughäfen) und in Parks als Standard in der Stadtplanung vorschreiben. Trinkbrunnen und Auffüllstationen sind ein wichtiger Beitrag zur Klimaanpassung und Hitzeresilienz von Städten und tragen damit zur Erhöhung der Lebensqualität im öffentlichen Raum bei. Darüber hinaus empfehlen wir, Trinkbrunnen z.B. künstlerisch zu gestalten, um Trinkwasser als Kulturgut zu fördern und das Bewusstsein für Wasser als lebenswichtige Ressource zu stärken.
4 Das entspricht 450.000 Trinkbrunnen. Zahlen und Fakten zum Leben in der Europäischen Union – Größe und Bevölkerung https://european-union.europa.eu/principles-countries-history/key-facts-and-figures/life-eu_de#:~:text=In%2520der%2520EU%2520leben%2520448,km%C2%B2.
Mit der Wasserwende zur Plastikwende – Plastikproduktion drastisch reduzieren!
Wir befinden uns in einer Plastikkrise. Während seines gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zur Entsorgung – hat Kunststoff negative Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. Plastikflaschen machen einen großen Teil des weltweiten Kunststoffmülls aus. Derzeit werden weltweit rund 600 Milliarden PET-Flaschen und -behälter pro Jahr produziert, das entspricht etwa 25 Millionen Tonnen PET-Abfällen. Allein in Deutschland fallen jährlich ca. 8 Milliarden Plastikflaschen nur für Wasser an. Um aus dieser Krise herauszukommen, müssen echte Lösungen im Vordergrund stehen und der Abfallhierarchie gefolgt werden. Das heißt: Vermeidung vor Wiederverwendung vor Recycling. Leitungswasser steht damit an erster Stelle der Hierarchie und ist eine gute sowie einfache Lösung. Die Wasserwende macht Leitungswasser zum neuen Normal – und ist damit ein wichtiger Baustein für weniger Plastikmüll hin zur Plastikwende. In der Neufassung der EU-Verpackungsverordnung5 wurde z.B. aufgenommen, dass Anreize für Restaurants, Kantinen, Bars, Cafés und Caterer geschaffen werden sollen, ihren Kund*innen Leitungswasser, soweit verfügbar, kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt in wiederverwendbaren oder wiederbefüllbaren Behältern anzubieten. Wir fordern, diese Anreize in rechtlich wirksame Maßnahmen umzuwandeln, da sie neben der Daseinsvorsorge und dem Hitzeschutz auch einen großen Einfluss auf die negativen Auswirkungen von Plastik haben können. Darüber hinaus ist die Reduzierung von Plastik auch ein unabdingbarer Schritt zum Schutz unseres Trinkwassers vor Schadstoffen aus der Plastikproduktion sowie vor Mikro- und Nanoplastik, welche wiederum das Wasser belasten.6,7
5 Verpackungen: Rat und Parlament erzielen Einigung über nachhaltigere Verpackungen und Verringerung von Verpackungsabfällen in der EU (Pressemitteilung) https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/03/04/packaging-council-and-parliament-strike-a-deal-to-make-packaging-more-sustainable-and-reduce-packaging-waste-in-the-eu/
6 „Aufkommen und Verwertung von PET Getränkeflaschen in Deutschland 2019“ (Kurzfassung)
https://newsroom.kunststoffverpackungen.de/wp-content/uploads/2020/10/2020-10-19-Kurzfassung-Verwertung-PET-Getraenkeflaschen-2019.pdf
7 Rapid single-particle chemical imaging of nanoplastics by SRS microscopy
https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2300582121